Kieler Sicherheitskonzept Sexualstraftäter (KSKS)

Gem. AV d. MJAE, IM u. MSGF v. 26.9.2008 – II 30/1552E-6SH-53SH – (SchlHA S.)

I Einleitung

Sexualstraftäter, die aus dem Justizvollzug oder dem Maßregelvollzug entlassen worden sind, bergen in vielen Fällen die Gefahr einer einschlägigen Rückfallstraftat in sich. In den Fällen, in denen eine solche Rückfallgefahr angenommen werden kann, besteht deshalb ein besonderes Bedürfnis zum ergänzenden Schutz der Bevölkerung durch präventiv-polizeiliche Maßnahmen, die insbesondere neben den Maßnahmen, die im Rahmen der Führungsaufsicht angewendet werden, greifen sollen.

Gleiches gilt in Bezug auf verurteilte Sexualstraftäter, die nicht der Führungsaufsicht unterliegen und bei denen die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe bzw. Jugendstrafe zur Bewährung ausgesetzt wurde. Auch in diesen Fällen ist die Prognose einer Rückfallgefahr denkbar, insbesondere können sich nachträglich Hinweise dahingehend ergeben, dass die insoweit zunächst angenommene positive Sozialprognose nicht mehr angenommen werden kann. Auch insoweit besteht ein besonderes Bedürfnis zum ergän- zenden Schutz der Bevölkerung durch präventiv-polizeiliche Maßnahmen.

Ziel des „Kieler Sicherheitskonzeptes Sexualstraftäter“ ist die Verringerung des Rückfallrisikos dieser Sexualstraftäter. Das Ziel soll strategisch erreicht werden durch eine bessere Informationssammlung und eine Maßnahmenoptimierung in der Zusammenarbeit der beteiligten Stellen der Justiz, des Maßregelvollzuges und der Polizei.

Kerngedanke des Sicherheitskonzeptes ist es dabei, dass die Polizei Überwachungsmaßnahmen betreffend rückfallgefährdete Sexualstraftäter auf Grundlage des Landesverwaltungsgesetzes in eigener Verantwortung durchführt und über die betreffenden Stellen der Justiz bzw. des Maßregelvollzuges mit den dafür notwendigen Informationen ausgestattet wird.

Zur Ermöglichung des Datentransfers und der Zusammenarbeit zwischen den beteilig- ten Stellen Justizvollzugsanstalt, Maßregelvollzugseinrichtung, Staatsanwaltschaft, Jugendrichter als Vollstreckungsleiter, Strafvollstreckungskammer, Führungsaufsichtsstelle, Bewährungshilfe und Polizei, der Sammlung von Informationen bei der Polizei sowie der Durchführung von polizeilichen Überwachungsmaßnahmen wird das Verfahren „Kieler Sicherheitskonzeptes Sexualstraftäter“ wie folgt geregelt:

II Zielgruppen

1. Führungsaufsichtsfälle

Vom Sicherheitskonzept erfasst werden Sexualstraftäter, die wegen einer Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach den §§ 174 bis 174c, 176 bis 180 und 182 des Strafgesetzbuches oder eines Tötungsdeliktes (§§ 211, 212 Strafgesetzbuch) mit sexuell motiviertem Hintergrund oder wegen Begehung einer der vorgenannten Taten wegen Vollrausches (§ 323a Strafgesetzbuch) verurteilt worden sind und deshalb unter Führungsaufsicht stehen.

Daraus ergeben sich folgende Fallgruppen der die genannten Verurteilten betreffenden Führungsaufsicht:

a) Anordnung der Führungsaufsicht gegen die genannten Verurteilten kraft richterlicher Anordnung bzw. kraft Gesetzes in den Fällen der §§ 68, 68f Abs. 1 des Strafgesetzbuches;

b) Anordnung der Führungsaufsicht bei Aussetzung der Vollstreckung der Unter- bringung zur Bewährung in den Fällen des § 67b Abs. 2 sowie der §§ 67c und 67d Abs. 2 bis 6 des Strafgesetzbuches.

2. Bewährungsfälle

Das Sicherheitskonzept erfasst zudem verurteilte Sexualstraftäter im Sinne der Num- mer 1 Satz 1, die nicht der Führungsaufsicht unterliegen, bei denen die Vollstreckung einer Freiheits- bzw. Jugendstrafe bzw. eines Strafrestes zur Bewährung ausgesetzt wurde, insbesondere, wenn sich durch ihr Verhalten nachträglich Hinweise dahingehend ergeben, dass die insoweit zunächst angenommene positive Sozialprognose nicht mehr angenommen werden kann.

3. Vollverbüßer

Das Sicherheitskonzept erfasst auch verurteilte Sexualstraftäter im Sinne der Nummer 1 Satz 1, die ihre Strafe im Justizvollzug voll verbüßt haben, insbesondere solche, bei denen die Vollstreckung eines Strafrestes nicht zur Bewährung ausgesetzt wurde sowie verurteilte Sexualstraftäter im Sinne der Nummer 1 Satz 1, hinsichtlich derer die Vollstreckung der Maßregel für erledigt erklärt wurde, und die nachfolgend nicht der Führungsaufsicht unterliegen, also Vollverbüßer bzw. Entlassene, die nach ihrer Entlassung nicht mehr der justiziellen Kontrolle unterliegen.

III Risikoprognose/Einstufung der Rückfallgefahr

4. Kriterien für das Bestehen einer Rückfallgefahr/Kategorisierung

Für die Beurteilung, ob der Verurteilte als rückfallgefährdet anzusehen ist, soll nach drei Kategorien unterschieden werden:

a) Kategorie A: Es handelt sich um Verurteilte, von denen zu erwarten ist, dass sie jederzeit erneut eine einschlägige Straftat begehen werden. Bei ihnen ist von einer hohen Gefährlichkeit auszugehen und es liegen keine rückfallrisikomindernden Bedingungen vor.

b) Kategorie B: Es handelt sich um Verurteilte, von denen zu erwarten ist, dass sie bei Wegfall oder Gefährdung protektiver Bedingungen erneut eine einschlägige Straftat begehen werden. Bei ihnen ist von einer hohen Gefährlichkeit auszugehen. Es liegen jedoch rückfallrisikomindernden Bedingungen vor.

c) Kategorie C: Es handelt sich um Sexualstraftäter, die nicht unter die Kategorien A oder B fallen.

Für die Bewertung der Gefährlichkeit sind insbesondere folgende Kriterien von Relevanz: Die Art und Schwere der begangenen Tat sowie die festgestellte Motivationslage und die Tatvorgeschichte insbesondere in Hinblick auf eine sexuelle Grundlegung, die Tatdynamik, die Persönlichkeit des Betroffenen, insbesondere das Vorhandensein von psychischen Störungen, eines erheblichen Aggressionspotenzials und das Verhalten nach der Tat, insbesondere die Entwicklung im Vollzug.

Als risikomindernde Bedingungen gelten insbesondere labile, eigenständige Faktoren, die eine rückfallpräventive Wirkung haben können, z.B. Abstinenz von Suchtmitteln, Einbindung in (therapeutische) Behandlung, Familie und Partnerschaft, Arbeitsstelle, soziales Umfeld, Pharmakotherapie.

5. Fälle der Vollverbüßung aus dem Justizvollzug

Die Bewertung der Rückfallgefahr bei Vollverbüßern aus dem Justizvollzug (vgl. Nummer 1 und Nummer 3, 1. Alt.) für den Zeitpunkt ihrer Entlassung erfolgt in zwei Schritten.

Zuständig ist insoweit zunächst die Vollzugsbehörde, d.h. die für den Vollzug der Freiheitsstrafe oder der Sicherungsverwahrung zuständige Justizvollzugsanstalt bzw. die für den Vollzug der Jugendstrafe zuständige Jugendanstalt. Dort werden im Rahmen der Vollzugsplanung für einen Gefangenen ab Beginn der Haftzeit Erkenntnisse über den Behandlungsverlauf, die Auseinandersetzung mit der Tat, die Entlassungssituation, insbesondere den sozialen Empfangsraum bei der Entlassung und damit verbundene konkrete Maßnahmen festgehalten. Insbesondere im Zusammenhang mit Lockerungsprognosen und bedingter Entlassung können Gutachten erstellt werden. Diese Erkenntnisse werden insgesamt zur prognostischen Einschätzung, ob es sich bei dem betreffenden Gefangenen um einen Risikoprobanden im Sinne der Kategorisierung nach Nummer 4 handelt, verwertet. Die Prognoseeinschätzung wird formularmäßig erfasst.

Die Vollzugsbehörde übersendet die Prognoseeinschätzung spätestens drei Monate vor der Entlassung, in Jugendsachen spätestens unverzüglich nach Bekanntwerden des konkreten Entlassungszeitpunktes, an die Vollstreckungsbehörde, d.h. die Staatsanwaltschaft bzw. in Jugendsachen den Jugendrichter als Vollstreckungsleiter. Dort wird unter Würdigung aller dort zusätzlich vorhandenen Tat- und Täterinformationen im Einzelfall eine weitere, eigene Einschätzung vorgenommen, ob es sich um einen Risikoprobanden im Sinne der Kategorisierung nach Nummer 4 handelt. Ggf. wird das KSKS-Formular mit weiteren Informationen ergänzt.

6. Fälle aus dem Maßregelvollzug

Die Bewertung der Rückfallgefahr eines Sexualstraftäters für den Zeitpunkt seiner Entlassung aus dem Maßregelvollzug (vgl. Nummer 1 und Nummer 3, 2. Alt.) erfolgt beim Vollzug der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt zunächst durch die jeweilige Einrichtung des schleswig-holsteinischen Maßregelvollzuges, die bei ihrer Prognoseeinschätzung insbesondere ggf. vorhandene externe Prognosegutachten berücksichtigt, nachfolgend durch die VollstreckungsbehördeDabei ist die Prognose einer Rückfallgefahr auch in Bewährungsfällen denkbar (vgl. BVerfG, NStZ 2001, 328 (330)), so dass es in jedem Einzelfall einer sorgfältigen Prüfung bedarf, ob eine Rückfallgefahr im Sinne der Nummer 4 gegeben ist.

Die Prognoseeinschätzung und deren Übersendung an die zuständige Vollstreckungsbehörde im KSKS-Formular durch die Einrichtung des Maßregelvollzugs erfolgt unverzüglich nach Vorliegen der gerichtlichen Entscheidung.

7. Bewährungsfälle

Die Bewertung der Rückfallgefahr eines Sexualstraftäters für den Zeitpunkt seiner Verurteilung zu einer Freiheits- bzw. Jugendstrafe, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wird, erfolgt nach rechtskräftiger Verurteilung unverzüglich durch die Vollstreckungsbehörde. In den Fällen der Aussetzung des Restes einer oder mehrerer Freiheits- bzw. Jugendstrafen erfolgt die Bewertung der Rückfallgefahr unverzüglich nach Vorliegen der gerichtlichen Entscheidung im Verfahren wie unter Nummer 2. Dabei ist die Prognose einer Rückfallgefahr auch in Bewährungsfällen denkbar (vgl. BVerfG, NStZ 2001, 328 (330)), so dass es in jedem Einzelfall einer sorgfältigen Prüfung bedarf, ob eine Rückfallgefahr im Sinne der Nummer 4 gegeben ist.

8. Zuständige Vollstreckungsbehörden

Im Falle der Vollstreckung von freiheitsentziehenden Maßnahmen durch mehrere Vollstreckungsbehörden ist im Rahmen des Sicherheitskonzeptes zunächst die schleswig-holsteinische Vollstreckungsbehörde zuständig, die wegen einer der in Abschnitt II genannten Straftaten vollstreckt. Trifft dies auf mehrere Vollstreckungsbehörden zu, ist die Höhe des Strafmaßes entscheidend. Alle übrigen Vollstreckungsbehörden erhalten das KSKS-Formular nachrichtlich und der Information halber zugesandt.

Sollte eine Vollstreckung in Schleswig-Holstein wegen einer der in Abschnitt II genannten Straftaten ausschließlich durch die Vollstreckungsbehörde eines anderen Bundeslandes erfolgen, so erfolgt die Bewertung der Rückfallgefahr allein durch die Vollzugsbehörde; die Vollstreckungsbehörde des anderen Bundeslandes erhält das KSKS-Formular nachrichtlich und der Information halber. Gleiches gilt für den Fall, dass neben einer solchen Vollstreckung eine weitere Vollstreckung durch eine schleswig-holsteinische Vollstreckungsbehörde wegen einer anderen als in Abschnitt II genannten Straftat erfolgt.

IV Übersendung der Daten an die KSKS-Zentralstelle/besondere Verfahren

9. Weiterleitung der Prognose an die KSKS-Zentralstelle

Die zuständige Vollstreckungsbehörde sendet der KSKS-Zentralstelle (vgl. Abschnitt V) unverzüglich das ggf. von ihr ergänzte KSKS-Formular zu. Des Weiteren übersendet die Vollstreckungsbehörde der KSKS-Zentralstelle eine Abschrift des zu Grunde liegenden Urteils, ggf. vorliegende Gutachten, im Falle der Führungsaufsicht den Antrag der Vollstreckungsbehörde an die Strafvollstreckungskammer mit den beantragten Weisungen zur Führungsaufsicht sowie einen aktuellen Auszug aus dem Bundeszentralregistergesetz.

10. Information der Strafvollstreckungskammer

Gleichzeitig mit der Übersendung der prognostischen Einschätzung an die KSKS-Zentralstelle fertigt und übersendet die Staatsanwaltschaft die Stellungnahme zur Vorbereitung der Führungsaufsicht nach § 54a Abs. 2 der Strafvollstreckungsordnung an die zuständige Strafvollstreckungskammer, die wiederum insbesondere über die Verhängung von Weisungen im Rahmen der Führungsaufsicht zu entscheiden hat. Die Staatsanwaltschaft wird unter Hinweis auf das KSKS-Verfahren der Stellungnahme ge- genüber der Strafvollstreckungskammer auch eine Ablichtung des ggf. von ihr ergänzten Formblattes beifügen. Nachrichtlich ist diese Stellungnahme von der zuständigen Staatsanwaltschaft auch der Führungsaufsichtsstelle zuzuleiten.

11. Nachträgliche Informationen

Die Vollstreckungsbehörde und die Führungsaufsichtsstelle unterrichten die KSKS- Zentralstelle über alle für die Beurteilung der Rückfallprognose und die Fortdauer der Überwachung des Probanden wichtigen bei ihnen nachträglich anfallenden Informationen, insbesondere über Wohnsitzwechsel, weitere gegen den Probanden geführte Ermittlungsverfahren und gerichtliche Entscheidungen wie insbesondere den Erlass von Haftbefehlen (§§ 112, 112a, 230 Abs. 2, §§ 453c, 457 Abs. 2 Strafprozessordnung), Widerrufsentscheidungen nach § 56f Abs. 1 des Strafgesetzbuches oder Maßnahmen der befristeten Wiederinvollzugsetzung von Unterbringungen im Maßregelvollzug nach § 67h des Strafgesetzbuchs.

12. Fälle aus anderen Bundesländern

In Fällen des Wechsels von Führungsaufsichtsprobanden aus anderen Bundesländern nach Schleswig-Holstein erfolgt die Bewertung der Rückfallgefahr sowie die entsprechende Weiterleitung des KSKS-Formulars und – soweit vorhanden – der Daten nach Nummer 9 Satz 2 an die KSKS-Zentralstelle durch die Führungsaufsichtsstelle in Schleswig-Holstein, welche die Führungsaufsicht übernommen hat.

In den Fällen des Wechsels von Bewährungsprobanden aus anderen Bundesländern nach Schleswig-Holstein soll die Bewertung der Rückfallgefahr sowie die entsprechen- de Weiterleitung des KSKS-Formulars und – soweit vorhanden – der Daten nach Nummer 9 Satz 2 an die KSKS-Zentralstelle durch das für die Bewährungsaufsicht zuständige Gericht in Schleswig-Holstein erfolgen.

13. Ausschreibung zur polizeilichen Beobachtung

Die Führungsaufsichtsstelle prüft in jedem Einzelfall die Ausschreibung des Probanden nach § 463a Abs. 2 der Strafprozessordnung.

14. Entwicklungen während laufender Bewährungszeit bzw. Führungsaufsicht

Zeigt sich im Bewährungsfall entgegen einer ursprünglichen positiven Sozialprognose innerhalb der Bewährungszeit eine negative Entwicklung, die Anlass zur Besorgnis der Begehung weiterer Sexualdelikte gibt, so übermittelt die Bewährungshilfe unverzüglich einen entsprechenden detaillierten Bericht an das für die Aufsicht zuständige Gericht. Die Durchführung des Sicherheitskonzeptes KSKS erfordert die Weiterleitung des Berichtes durch das Gericht an die Vollstreckungsbehörde. Zum Zwecke der Ersterfassung in KSKS bzw., soweit eine Erfassung in KSKS noch nicht erfolgt ist, zum Zwecke der Umstufung (vgl. Abschnitt IX), nimmt die Vollstreckungsbehörde auf Grundlage des Berichtes sowie weiterer verfügbarer Informationen, die Einschätzung einer Rückfallge- fahr vor, erfasst diese formularmäßig und leitet das KSKS-Formular mit – soweit vorhanden – den Daten nach Nummer 9 Satz 2 an die KSKS-Zentralstelle weiter. In eiligen Fällen informiert die Bewährungshilfe das Gericht ggf. telefonisch, wobei in diesen Fäl- len die Durchführung des Sicherheitskonzeptes nachfolgend die unverzügliche direkte Information der KSKS-Zentralstelle durch das Gericht erfordert. In den Ausnahmefällen des rechtfertigenden Notstands oder der Einwilligung des Probanden kann die Bewährungshilfe die KSKS-Zentralstelle unmittelbar unterrichten (vgl. Nummer 24).

Gleiches gilt hinsichtlich der Führungsaufsichtsfälle. Hier informiert die Bewährungshilfe die Führungsaufsichtstelle, welche die Daten an die Vollstreckungsbehörde weiterzuleiten hat. Die Vollstreckungsbehörde nimmt auf Grundlage des Berichtes sowie weiterer verfügbarer Informationen die Einschätzung einer Rückfallgefahr vor, erfasst diese formularmäßig und leitet das KSKS-Formular mit – soweit vorhanden – den Daten nach Nummer 9 Satz 2 an die KSKS-Zentralstelle weiter. In eiligen Fällen informiert die Be- währungshilfe die Führungsaufsichtsstelle ggf. telefonisch und diese leitet die Informationen nachfolgend unverzüglich direkt an die KSKS-Zentralstelle weiter. In den Ausnahmefällen des rechtfertigenden Notstands oder der Einwilligung des Probanden kann die Bewährungshilfe die KSKS-Zentralstelle unmittelbar unterrichten (vgl. Nummer 23).

V Aufgaben und Organisation der KSKS-Zentralstelle

15. KSKS-Zentralstelle

Die KSKS-Zentralstelle ist das Landeskriminalamt.

16. Aufgaben und Organisation der KSKS-Zentralstelle

Das Landeskriminalamt hat als KSKS-Zentralstelle die Aufgabe, den gesamten Prozess der polizeilichen Informationssteuerung zu gestalten und zu überwachen. Des Weiteren koordiniert es in dieser Funktion die notwendigen Maßnahmen gegenüber dem Pro- banden mit der örtlich zuständigen Polizeidirektion/Polizeistelle. Schließlich koordiniert und steuert es den Informationsaustausch mit anderen Ländern.

Die Aufgaben der KSKS-Zentralstelle werden in den Sachgebieten 122 und 243 des Landeskriminalamtes wahr genommen. Näheres regelt das Landeskriminalamt durch eigenen Erlass.

VI Polizeiliche Bewertung und Maßnahmen

17. Bewertung durch die KSKS-Zentralstelle

Die KSKS-Zentralstelle bewertet in eigener Zuständigkeit, ob von dem Probanden eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit im Sinne des Landesverwaltungsgesetzes ausgeht.

Dabei verwertet und berücksichtigt sie die ihr von der Vollstreckungsbehörde übersandten Erkenntnisse und reichert diese mit Erkenntnissen aus Kriminalakten und sonstigen polizeilichen Informationsquellen an. Die KSKS-Zentralstelle verdichtet somit die vorhandenen Informationen, bewertet sie und erstellt einen eigenständigen Bericht. Insbesondere werden die in der Prognoseeinschätzung ausgesprochenen Empfehlungen sowie die Entscheidungen der Strafvollstreckungskammer insbesondere zu Weisungen im Rahmen der Führungsaufsicht berücksichtigt.

18. Polizeiliche Verfahrensabläufe

Die KSKS-Zentralstelle übersendet nach Abschluss ihrer Arbeiten die Unterlagen mit Maßnahmeempfehlungen an die für den Wohnsitz des Probanden zuständige Polizeidirektion/Polizeidienststelle und koordiniert mit ihr die notwendigen Maßnahmen. Die KSKS-Zentralstelle ist ferner zuständig für die Koordinierung des polizeilichen Informationsflusses gegenüber Staatsanwaltschaft, Führungsaufsichtsstelle und Bewährungshilfe. Die Polizei teilt insoweit insbesondere die Wohnsitznahme des Probanden, die Ergebnisse durchgeführter polizeilicher Maßnahmen sowie bekannt gewordene Weisungsverstöße mit. Auch informiert die KSKS-Zentralstelle das Landeskriminalamt eines anderen Bundeslandes, wenn der Proband seinen Wohnsitz oder seinen vorüber- gehenden Lebensmittelpunkt in dessen Zuständigkeitsbereich nimmt.

VII Rechtsgrundlagen für den justiziellen Datentransfer

19. Datentransfer von Justizvollzug zur Vollstreckungsbehörde

Rechtsgrundlagen für die in dieser Allgemeinen Verfügung genannten Datenübermittlungen von den Justizvollzugsanstalten zur Vollstreckungsbehörde sind für den Erwachsenenstrafvollzug und die Sicherungsverwahrung § 180 Abs. 2 Nr. 2 bis 4, Abs. 4, Abs. 10, sowie § 182 Abs. 2 Satz 2 und 3 des Strafvollzugsgesetzes, für den Bereich des Jugendstrafvollzugs § 89 Abs. 2 Nr. 2 bis 4, Abs. 4, Abs. 10, sowie § 92 Abs. 2 Satz 1 und 2 des Jugendstrafvollzugsgesetzes.

20. Datentransfer von Maßregelvollzugseinrichtung zur Vollstreckungsbehörde

Rechtsgrundlagen für die in dieser Allgemeinen Verfügung genannten Datenübermitt- lungen von den Einrichtungen des Maßregelvollzugs zur Vollstreckungsbehörde ist § 23 Abs. 2 Nr. 1 und 10 des Maßregelvollzugsgesetzes.

21. Datentransfer von der Vollstreckungsbehörde zur Polizei

Die Übermittlung der Daten von der Vollstreckungsbehörde an die KSKS-Zentralstelle erfolgt nach § 481 Abs. 1 Satz 2 der Strafprozessordnung.

22. Datentransfer von der Führungsaufsichtsstelle zur Bewährungshilfe sowie zur Polizei

Mitarbeiter der Führungsaufsichtsstellen unterliegen dem strafbewehrten Berufsgeheimnisschutz des § 203 des Strafgesetzbuches. Insoweit ist für jeden Datentransfer dieser Stelle stets entweder die Einwilligung des Betroffenen oder aber eine gesetzliche Befugnis erforderlich.

Der Informationsaustausch zwischen der Führungsaufsichtsstelle und der Bewährungshilfe ist durch § 68a des Strafgesetzbuches gesetzlich abgesichert. Die Führungsaufsichtsstelle ist durch § 463a Abs. 1 der Strafprozessordnung privilegiert. Sie darf nach dieser Vorschrift von allen öffentlichen Behörden Auskunft verlangen und Ermittlungen selbst vornehmen und vornehmen lassen. Für den Fall des Bemerkens von Auffälligkeiten bei den Probanden, die sicherheitsrelevant sein könnten, können mit der Vergabe solcher Aufträge an die Polizei diese Informationen weitergegeben werden.

23. Datentransfer von der Bewährungshilfe in Fällen der Führungsaufsicht

Die Bewährungshilfe unterliegt dem strafbewehrten Berufsgeheimnisschutz des § 203 des Strafgesetzbuches. Insoweit ist für jeden Datentransfer dieser Stellen stets entwe- der die Einwilligung des Betroffenen oder aber eine gesetzliche Befugnis erforderlich.

In Fällen der Führungsaufsicht ist die unmittelbare Datenübermittlung durch die Bewährungshilfe an die Polizei auf Grund von § 463a der Strafprozessordnung, welcher nur die Führungsaufsichtsstellen privilegiert, aus systematischen Gründen gesperrt. Die Bewährungshilfe kann daher nur über die Führungsaufsichtsstelle die Polizei informie- ren (vgl. § 68a Abs. 2 Strafgesetzbuch). Es gelten folgende Ausnahmen, die eine direk- te Information der Polizei ermöglichen:

a) rechtfertigender Notstand (§ 34 Strafgesetzbuch) oder b) Einwilligung des Probanden.

Die Voraussetzungen des § 34 des Strafgesetzbuches wären gegeben bei einer gegenwärtigen, nicht anders abwendbaren Gefahr insbesondere für Leben und Leib eines Anderen, wenn das geschützte Interesse die datenschutzrechtliche Beeinträchtigung überwiegt.

24. Datentransfer von der Bewährungshilfe in Fällen der Bewährungsaufsicht

In Fällen verurteilter Sexualstraftäter, die nicht der Führungsaufsicht unterliegen und bei denen die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt wurde, erfolgt der Datentransfer von der Bewährungshilfe zum Aufsicht führenden Gericht nach § 56d Abs. 3 Satz 2 und 3 des Strafgesetzbuches. Vorbehaltlich des rechtfertigenden Notstands bzw. der Einwilligung des Betroffenen ist die Bewährungshilfe nicht befugt, die Polizei unmittelbar zu informieren.

25. Einwilligung des Probanden

Die vom Sicherheitskonzept erfassten Probanden sollen um die Unterzeichnung einer entsprechenden schriftlichen Einwilligungserklärung zum Datentransfer nach Nummern 23 und 24 gebeten werden.

VIII Datenlöschung

26. Die Speicherung der Daten bei der KSKS-Zentralstelle erfolgt in den Fällen der Num- mern 1 und 2 für die Dauer der Führungsaufsicht bzw. der Bewährungszeit. Danach werden die Daten gelöscht oder bei Vorliegen der entsprechenden rechtlichen Voraussetzungen in andere Dateien überführt.

IX Umstufungen in KSKS

27. Gibt das gezeigte Verhalten des Probanden Anlass für eine Umstufung innerhalb der KSKS-Kategorien A, B oder C aus Nummer 4 – z.B. Verstöße gegen Weisungen im Rahmen der Führungsaufsicht, Wegfall bzw. Eintritt stabilisierender bzw. destabilisierender Faktoren wie Veränderungen im Arbeitsleben oder in den sozialen Beziehungen – so sind diese Veränderungen der Vollstreckungsbehörde mitzuteilen. Die Vollstrek- kungsbehörde entscheidet nachfolgend über eine mögliche Umstufung innerhalb der Kategorien aus Nummer 4 und teilt eine solche der KSKS-Zentralstelle mit.

X Retrograde Erfassung

28. Alle vor dem 1. Oktober 2008 aus dem Justiz- bzw. Maßregelvollzug entlassenen Führungsaufsichtsprobanden sowie alle Bewährungsprobanden, welche die Erfassungs- voraussetzungen erfüllen, sind rückwirkend zu erfassen, wenn die Führungsaufsicht bzw. die Bewährungszeit noch mindestens bis zum 30. September 2009 dauert. Zu- ständig für die Bewertung der Rückfallgefahr sowie die entsprechende Weiterleitung des KSKS-Formulars und – soweit vorhanden – der Daten nach Nummer 9 Satz 2 an die KSKS-Zentralstelle sind in Führungsaufsichtsfällen die Führungsaufsichtsstelle und in Bewährungsfällen die Vollstreckungsbehörde. In Führungsaufsichtsfällen ist ggf. die Ausschreibung des Probanden nach § 463 a Abs. 2 der Strafprozessordnung zu veranlassen.

XI Inkrafttreten

29. Diese Allgemeine Verfügung tritt am 1. Oktober 2008 in Kraft.

 Dr. Eberhard Schmidt-Elsaeßer

 Ulrich Lorenz

 Dr. Hellmut Körner