Qualitätsstandards der Bewährungshilfe des Landes Schleswig-Holstein (Stand: Juni 2013)

Standards der Bewährungshilfe

I.   Leitlinien und Ziele
II.  Prozessqualität
III. Strukturqualität
IV. Qualitätssicherung
V.  Schlussbemerkung

Einleitung

In der inzwischen mehr als 50-jährigen Geschichte der Bewährungshilfe in Schleswig-Holstein hat es immer Veränderungen und neue Entwicklungen gegeben. Allerdings haben Qualität und Quantität neuer Herausforderungen deutlich an Dynamik gewonnen. Daher wird es umso wichtiger, dass für den Bereich der Bewährungshilfe verdeutlicht wird, wie sie arbeitet, was sie leistet und was die Öffentlichkeit von ihr erwarten kann, aber auch, wo ihre Aufgabe endet.

Die Arbeit im Bereich der Bewährungshilfe gründet auf dem Konsens ambulanter Betreuung im Sinne einer Hilfe und Kontrolle, wenn möglich, und stationärer Straffälligenhilfe, wenn nötig. Auf dieser durch das Strafgesetzbuch legitimierten Basis konnte es nicht zuletzt auch durch die Arbeit der Bewährungshilfe in Schleswig-Holstein in den letzten Jahren gelingen, dass in diesem Bundesland deutlich weniger Personen pro 100.000 Einwohner inhaftiert waren und sind als in den übrigen Bundesländern. Dieses unter anderem auch sozialpolitisch und fiskalisch relevante Handeln soll nicht nur nach innen wirken, sondern auch von außen nachvollziehbarer werden.

Die durch den Qualitätszirkel in Schleswig-Holstein erarbeiteten Standards (die auf der Basis vorhandener Standardpapiere aus anderen Bundesländern erarbeitet wurden; besondere Erwähnung verdienen dabei die veröffentlichten Standards des Saarlands) sollen nicht nur gegenüber der Öffentlichkeit, den Auftraggebern, Dienstvorgesetzten und Probanden für mehr Transparenz sorgen, sondern auch nach innen als Leitfaden und Orientierung für die Praxis dienen. Es sollen Maßstäbe für eine professionelle Sozialarbeit in der Bewährungshilfe gesetzt werden. Es wurde hier die Notwendigkeit und Chance erkannt, die Qualität der eigenen Arbeit selbst zu definieren, um so an Entwicklungs- und Veränderungsprozessen aktiv mitwirken zu können.

Die vorgelegten Standards sollen einerseits durch die Nähe zur Praxis so konkret wie möglich formuliert sein, andererseits aber die Handlungsspielräume des Bewährungshelfers nicht unnötig einengen. Unter Berücksichtigung von Sicherheitsinteressen der Gesellschaft steht der Proband mit seinen Fähigkeiten, Begrenzungen und Problemen, auf die individuell reagiert werden muss, im Mittelpunkt der Arbeit der Bewährungshilfe. Standards müssen daher der Flexibilität in der Arbeit des Bewährungshelfers Rechnung tragen. Durch die Standards soll das berufliche Alltagshandeln von Bewährungshelfern auch für Nichtfachleute einsehbar begründet und dargestellt werden. In den vorliegenden Standards wird aus Gründen besserer Lesbarkeit ausschließlich die männliche Form verwandt.

I. Leitlinien und Ziele

I. 1. Ziele der Bewährungshilfe

Ziel der Bewährungshilfe ist die Verhinderung von neuen Straftaten durch die Resozialisierung von straffällig gewordenen Menschen. Die Maßnahmen der Bewährungshilfe sollen die Probanden befähigen, ein Leben ohne Straftaten zu führen und den durch die Tat verursachten Schaden wieder gut zu machen sowie dazu beitragen, Haft zu vermeiden oder zu verkürzen. Dabei soll das eigenverantwortliche Handeln der Probanden gefördert, ihre persönlichen Lebenslagen verbessert und stabilisiert werden. Das sozialarbeiterische Handeln soll bei den Probanden soziale Lernprozesse fördern sowie soziale Handlungskompetenz stärken. Hierdurch werden die Integration in die Gesellschaft gefördert und kostenintensive Haftzeiten vermieden.

Die Bewährungshilfe leistet einen wichtigen kriminalpräventiven Beitrag und dient der öffentlichen Sicherheit durch Vermeidung von Straftaten und leistet damit einen Beitrag zum Opferschutz.

I. 2. Zielgruppe

Probanden der Bewährungshilfe sind Erwachsene, Jugendliche und Heranwachsende, bei denen Freiheitsstrafe, Jugendstrafe, eine Maßregel oder ein Strafrest zur Bewährung ausgesetzt wurde, und die der Aufsicht und Leitung eines Bewährungshelfers unterstellt wurden, des weiteren Probanden, bei denen Führungsaufsicht angeordnet wurde. Ferner zählen zur Klientel der Bewährungshilfe die Jugendlichen, bei denen das Gericht zwar die Schuld festgestellt hat, die Entscheidung über die Verhängung der Jugendstrafe aber für eine Bewährungszeit aussetzt.

Sozialarbeit in der Bewährungshilfe stellt ein durch das Gericht per Weisung und Beschluss formuliertes Zwangsverhältnis dar. Die Arbeit der Bewährungshilfe umfasst einen Doppelauftrag. Zum einen ein Angebot der Betreuung und zum anderen

die Durchführung von Aufsicht und Kontrolle des Gerichts. Bei der Zielgruppe handelt es sich um Menschen mit vielfältigen Problemlagen, insbesondere Arbeitslosigkeit, finanziellen Schwierigkeiten, Sucht, physischen und psychischen Erkrankungen.

I. 3. Rechtliche Grundlagen

Der Gesetzgeber hat der Bewährungshilfe einen Hilfeauftrag erteilt, sie aber gleichzeitig mit einer Überwachungsfunktion betraut. Die Bewährungshilfe hat damit die Aufgabe, sozialarbeiterisches Handeln und justizielle Kontrolle in Einklang zu bringen.

Die Grundlagen für die hauptamtliche und ehrenamtliche Bewährungshilfe sind insbesondere die nachfolgenden rechtlichen Regelungen und Verordnungen.

StGB: § 56d Bewährungshilfe

(1) Das Gericht unterstellt die verurteilte Person für die Dauer oder einen Teil

der Bewährungszeit der Aufsicht und Leitung einer Bewährungshelferin oder eines Bewährungshelfers, wenn dies angezeigt ist, um sie von Straftaten abzuhalten.

(2) Eine Weisung nach Absatz 1 erteilt das Gericht in der Regel, wenn es eine Freiheitsstrafe von mehr als neun Monaten aussetzt und der Verurteilte noch nicht 27 Jahre alt ist.

(3) Die Bewährungshelferin oder der Bewährungshelfer steht der verurteilten Person helfend und betreuend zur Seite. Sie oder er überwacht im Einvernehmen mit dem Gericht die Erfüllung der Auflagen und Weisungen sowie der Anerbieten und Zusagen und berichtet über die Lebensführung der verurteilten Person in Zeitabständen, die das Gericht bestimmt. Gröbliche oder beharrliche Verstöße gegen Auflagen, Weisungen, Anerbieten oder Zusagen teilt die Bewährungshelferin oder der Bewährungshelfer dem Gericht mit.

(4) Die Bewährungshelferin oder der Bewährungshelfer wird vom Gericht bestellt. Es kann der Bewährungshelferin oder dem Bewährungshelfer für die Tätigkeit nach Absatz 3 Anweisungen erteilen.

(5) Die Tätigkeit der Bewährungshelferin oder des Bewährungshelfers wird haupt- oder ehrenamtlich ausgeübt.

Bei nach Jugendstrafrecht Verurteilten beinhaltet der § 24 Abs. 3 JGG neben Hilfe, Betreuung und Überwachung die Förderung der Erziehung des Verurteilten und die vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den Erziehungsberechtigten:

JGG: § 24 Bewährungshilfe

(1) Der Richter unterstellt den Jugendlichen in der Bewährungszeit für höchstens zwei Jahre der Aufsicht und Leitung eines hauptamtlichen Bewährungshelfers. Er kann ihn auch einem ehrenamtlichen Bewährungshelfer unterstellen, wenn dies aus Gründen der Erziehung zweckmäßig erscheint. § 22 Abs. 2 Satz 1 gilt entsprechend.

(2) Der Richter kann eine nach Absatz 1 getroffene Entscheidung vor Ablauf der Unterstellungszeit ändern oder aufheben; er kann auch die Unterstellung des Jugendlichen in der Bewährungszeit erneut anordnen. Dabei kann das in Absatz 1 Satz 1 bestimmte Höchstmaß überschritten werden.

(3) Der Bewährungshelfer steht dem Jugendlichen helfend und betreuend zur Seite. Er überwacht im Einvernehmen mit dem Richter die Erfüllung der Weisungen, Auflagen, Zusagen und Anerbieten. Der Bewährungshelfer soll die Erziehung des Jugendlichen fördern und möglichst mit den Erziehungsberechtigten und dem gesetzlichen Vertreter vertrauensvoll zusammenwirken. Er hat bei der Ausübung seines Amtes das Recht auf Zutritt zu dem Jugendlichen. Er kann von den Erziehungsberechtigten, dem gesetzlichen Vertreter, der Schule, dem Ausbildenden Auskunft über die Lebensführung des Jugendlichen verlangen.

JGG: § 29 Bewährungshilfe

Der Jugendliche wird für die Dauer oder einen Teil der Bewährungszeit der Aufsicht und Leitung eines Bewährungshelfers unterstellt. Die §§ 23, 24 Abs. 1 Satz 1 und 2, Abs. 2 und 3 und die §§ 25, 28 Abs. 2 Satz 1 sind entsprechend anzuwenden.

Weitere rechtliche Grundlagen sind das Bewährungs- und Gerichtshilfegesetz BGG vom 31. Januar 1996, die Anordnung über die Organisation der Bewährungs- und Gerichtshilfe (OrgBG) vom 30.12.2010, der Erlass zur Einführung von Sprecherinnen und Sprechern gemäß § 6 BGG (II 252/4200 – 79 SH -) sowie die vorläufige Anordnung über Organisation, Aufgaben und Geschäftsgang der Aufsichtsstellen für die Führungsaufsicht (§ 68 a StGB) vom 18.12.1974, Nr. 6.

Für die Zusammenarbeit mit den Einrichtungen des Strafvollzugs und des Jugendstrafvollzugs gelten die Bestimmungen der Kooperationserlasse vom 22.06.2010 und vom 20.08.2012.

Die Bewährungshelferin bzw. der Bewährungshelfer hat die Grundrechte des Verurteilten zu achten. Der Umfang der Betreuungs- und Kontrollmaßnahmen orientiert sich an dem verfassungsrechtlichen Prinzip der Verhältnismäßigkeit. Die Bewährungshelferin bzw. der Bewährungshelfer unterliegt den Bestimmungen des § 203 Abs. 1 Nr. 5 StGB. Die Weitergabe von Privatgeheimnissen erfolgt nur mit Einverständnis des Probanden. Dem gegenüber steht die Zeugnispflicht der Bewährungshelferin bzw. des Bewährungshelfers bei einer Zeugenladung vor Gericht oder durch die Staatsanwaltschaft (§ 161 a StPO).

Die Vorgaben des Datenschutzes und der Notwendigkeit einer Aussagegenehmigung (§ 54 StPO) müssen gewahrt werden.

I. 4. Grundprinzipien und methodische Grundlagen

Sozialarbeit in der Bewährungshilfe basiert auf der sozialen Einzelfallhilfe nach dem Grundsatz „Hilfe zur Selbsthilfe“. Die Gesprächsführung ist klientenzentriert, lösungs- und ressourcenorientiert. Für die Zusammenarbeit sind Transparenz und Verbindlichkeit in der Arbeit der Bewährungshelferin bzw. des Bewährungshelfers gegenüber den Probanden einzuhalten. Professionelle Sozialarbeit beinhaltet konzeptionelles Handeln und notwendige Distanz zu den Probanden und deren Problemlagen.

In der kollegialen Zusammenarbeit sollen Akzeptanz und sachgerechte Transparenz gewährleistet werden.

II. Prozessqualität

II. 1. Beginn der Bewährungsaufsicht und Bewährungshilfe

Die Bewährungsaufsicht beginnt durch einen rechtskräftigen Unterstellungsbeschluss. Die Bewährungshilfe nimmt ihre Arbeit auf:

  • bei Eingang des Unterstellungsbeschlusses
  • bei telefonischer oder schriftlicher Informationen des Gerichts
  • bei Kontaktaufnahme seitens des Probanden
  • bei Mitteilung der JVA über die bevorstehende Entlassung im Rahmen des Übergangsmanagements
  • bei Eingang eines Amtshilfeersuchens oder
  • bei Gnadenentscheidungen des Ministeriums durch Mitteilung der Staatsanwaltschaft
  • bei Information der Führungsaufsichtsstelle, der Gerichtshilfe oder Jugendgerichtshilfe.

II. 2. Erstkontakt

Die Bewährungshilfe betreibt aktive Kontaktaufnahme. Zu einem Probanden wird zeitnah, spätestens innerhalb von drei Wochen nach Eingang der Bewährungsunterlagen, Kontakt aufgenommen. Der Erstkontakt erfolgt wahlweise durch:

  • schriftliche Kontaktaufnahme
  • Einladung ins Büro
  • Anmeldung zum Hausbesuch
  • telefonische Kontaktaufnahme (beiderseits möglich)
  • persönliche Kontaktaufnahme
  • Bürobesuch durch den Probanden
  • Besuch in der JVA bei bevorstehender Entlassung
  • Besuch in sonstigen Einrichtungen (z.B.: Krankenhaus, Therapieeinrichtung etc.)
  • Hausbesuch

Wenn auf den ersten Kontaktversuch keine Rückmeldung durch den Probanden erfolgt, bemüht sich die Bewährungshilfe weiterhin um Kontakt. Dies kann in Form von weiteren Anschreiben, angemeldeten oder unangemeldeten Hausbesuchen, Telefonaten, oder einer EMA-Anfrage erfolgen. Sofern auch dann kein Kontakt zu dem Probanden erreicht wird, erfolgt die Mitteilung an das aufsichtführende Gericht (spätestens drei Monate nach Fallübernahme).

II. 3. Erstgespräch

Das Erstgespräch findet im Rahmen von 1 – 3 Kontakten statt. Das Erstgespräch beinhaltet die Aufklärung und Information über:

  • den gesetzlichen Auftrag der Bewährungshilfe
  • Urteil und Bewährungsbeschluss
  • Auflagen und Weisungen sowie die Kontrollfunktion des Bewährungshelfers
  • Folgen von Verstößen gegen Auflagen und Weisungen
  • Rechte und Pflichten
  • Hilfe- und Betreuungsangebote
  • Erreichbarkeit und Sprechstunde des Bewährungshelfers
  • Berichtspflicht (schriftlich sowie mündlich; fehlendes Zeugnisverweigerungsrecht)
  • die Schweigepflicht des Bewährungshelfers gegenüber Dritten

Zu Beginn der Bewährungszeit:

  • ist die persönliche und soziale Situation des Probanden zu erörtern
  • sind verbindliche weitere Kontaktabsprachen zu treffen
  • ist der aktuelle und zukünftige Hilfe- und Betreuungsbedarf abzuklären bzw. sind Ziele für die Zeit der Zusammenarbeit abzustimmen
  • ist die Umsetzung der Auflagen und Weisungen anzubahnen.

II. 4. Folgekontakte

Die geplanten Folgekontakte orientieren sich an den fachlichen Notwendigkeiten zur Zielerreichung sowie den Bedürfnissen des Probanden. Sie werden realisiert durch:

  • Persönlichen Kontakt
  • im Büro des Bewährungshelfers
  • im Außendienst (Hausbesuche, Besuche in Einrichtungen, Begleitungen etc.)
  • Telefonischen Kontakt
  • Schriftlichen Kontakt

In den Folgekontakten soll ein Handlungskonzept erstellt werden, das sich an dem Arbeitsauftrag des Gerichts und der individuellen Situation des Probanden orientiert. Dieses ist durch Vermerke und Berichte mittels der vorhandenen Dokumentationssoftware nachvollziehbar zu machen.

Wesentlich ist weiterhin die Kontrolle der Lebensführung und der Erfüllung der Auflagen und Weisungen aus dem jeweiligen Bewährungsbeschluss. Der Bewährungshelfer bietet gleichzeitig Hilfestellungen. Mit dem Probanden wird jeweils seine aktuelle Situation erörtert.

Gemeinsam mit dem Probanden werden ggf. Problemlösungsstrategien entwickelt, in denen Ziele und Veränderungsmöglichkeiten aufgezeigt und formuliert werden. Konkrete Handlungsschritte werden vereinbart. Hilfen werden vorgehalten oder vermittelt, die dazu beitragen können, ein Leben ohne Straftaten zu führen und ggf. den durch die Tat verursachten Schaden wieder gutzumachen. Der Hilfeprozess ist freiwillig und setzt die Bereitschaft des Probanden voraus, daran mitzuwirken.

Zur Minimierung kriminogener Faktoren werden Hilfeangebote und Kontrollaspekte vorgehalten, die sich beziehen können auf:

  • Bearbeitung der Straftat zur Rückfallvermeidung und zum Schutz potentieller Opfer
  • Förderung von Unrechtsbewusstsein sowie der Übernahme von Verantwortung für begangene Taten und deren Folgen
  • Lebensberatung, psychosoziale Beratung bis hin zur Krisenintervention
  • Herausarbeitung von Prädiktoren für erneute Straffälligkeit und deren Bearbeitung
  • Motivationsarbeit zur Überwindung bestehender Suchtprobleme
  • Mitwirkung bei der Vorbereitung von Entgiftungen und Therapie
  • Finanzielle Beratung, Schriftverkehr mit Gläubigern
  • Hilfestellung bei der Realisierung materieller Unterstützung (Transferleistungen, Lohn etc.)
  • Hilfestellung bei der Formulierung von Schreiben, Bewerbungen etc
  • Aktive Unterstützung und Begleitung bei Behördengängen
  • Mitwirkung bei Arbeits- und Wohnraumbeschaffung
  • Vermittlung an spezialisierte Fach- und Hilfsdienste
  • Vermittlung zum oder Mitwirkung beim Täter-Opfer-Ausgleich
  • Akquisition und Vermittlung von Einsatzstellen für gemeinnützige Arbeit
  • Mitwirkung bei der Entlassungsvorbereitung
  • die Aufrechterhaltung / den Aufbau des Arbeitsbündnisses während der Haft
  • Einleitung weitergehender Betreuung für die Zeit nach Ablauf der Bewährungszeit (gesetzlicher Betreuer, Beratungsstellen)
  • Beratung zur sinnvollen Freizeitgestaltung

Hilfe- und Betreuungsangebote orientieren sich am Bedarf des Probanden, den ggf. herausgehobenen Kenntnissen des Bewährungshelfers (Vertiefungsgebiet, Zusatzqualifikation o. Ä.), dessen Zeitbudget und dem Vorhandensein/der Erreichbarkeit von Fachdiensten.

Soweit erforderlich, werden unter Berücksichtigung der gesetzlichen Regelungen Dritte (Familie, persönliches Umfeld, Arbeitgeber, …) in die Folgekontakte einbezogen.

Sollte der Proband trotz schriftlicher bzw. telefonischer Aufforderung keinen Kontakt zur Bewährungshilfe halten, so wird dem zuständigen Gericht unter Anregung geeigneter Reaktionsmöglichkeiten über die Mängel diesbezüglich berichtet.

II. 5. Gerichtsverhandlungen

Bewährungshilfe bietet Entscheidungshilfe für Gerichte und Staatsanwaltschaften an. Sie ist kein Prozessbeteiligter. Sofern keine Zeugenladung vorliegt, entscheidet die Bewährungshelferin bzw. der Bewährungshelfer im Einzelfall über die Teilnahme an der anstehenden Gerichtsverhandlung. Bei Abwesenheit kann ersatzweise schriftlich berichtet werden.

Inhalt der mündlichen oder schriftlichen Stellungnahme ist die Information über den bisherigen Verlauf der Bewährungszeit und die Erstellung einer Sozialprognose im Hinblick auf zukünftige Straffreiheit.

II. 6. Dokumentation

Der Bewährungsverlauf wird landesweit einheitlich in der Fachanwendung „SoPart“ dargestellt. Die gesamte Dokumentation dient als Arbeits- und Kontaktnachweis, als Grundlage für schriftliche und mündliche Berichte, als Grundlage für die eigene Prüfung und als Arbeitsgrundlage im Vertretungsfall bzw. bei Abgabe an einen anderen Kollegen.

II. 7. Berichte

Berichte werden nach gerichtlicher Anforderung, Vereinbarung mit dem Gericht oder aus besonderem Anlass erstellt. Sie sind dem Probanden in geeigneter Form in Kenntnis zu bringen. Berichte geben relevante Aspekte des Bewährungsverlaufes im Berichtszeitraum unter Berücksichtigung des Auftrages wieder.

Berichte werden gekennzeichnet durch:

  • Aktenzeichen
  • Name, Vorname, Geburtsdatum
  • Anschrift, postalische Erreichbarkeit

Inhaltsmerkmale von Berichten können sein:

  • Erfüllungsstand von Auflagen und Weisungen
  • Ziele und Vereinbarungen
  • Darstellung der aktuellen Lebenssituation (Wohnung, Arbeit, Einkommen, Schulden, soziale Kontakte, Freizeitverhalten, Suchtproblematik
  • Legalverhalten bzw. erneute Straffälligkeit
  • Kontaktverhalten gegenüber dem Bewährungshelfer)
  • besondere Auffälligkeiten
  • Einschätzung von Entwicklung

II. 8. Wechsel der Bewährungsaufsicht

Bewährungshelferwechsel findet statt aufgrund eines schriftlichen Amtshilfeersuchens, durch Telefonat mit dem neuen Bewährungshelfer, Übergabebericht, Umbestellungsbericht an das Gericht und Abgabe der Akte. Aus fachlichen Gründen ist ebenfalls ein Wechsel möglich.

II. 9. Abschlussgespräch

Im Abschlussgespräch wird die Entwicklung des Probanden im Verlauf der Bewährungszeit abschließend erörtert. Ggf. werden Anregungen für weitere Betreuungs- /Unterstützungsmöglichkeiten gegeben.

II. 10. Ende der Bewährungsaufsicht / Bewährungszeit

Die Zusammenarbeit mit dem Probanden endet:

  • mit dem Ende der Bewährungszeit/Führungsaufsichtszeit
  • durch Wegfall des Nachbetreuungsauftrags des Gerichts bei anhängigen Ermittlungsverfahren
  • mit der Aufhebung der Unterstellung
  • mit dem Ablauf der Unterstellungszeit
  • mit dem rechtskräftigen Widerrufsbeschluss
  • durch Einbeziehung des Urteils, aufgrund dessen der Proband unter Bewährungsaufsicht steht
  • aus sonstigen Gründen.

Der Bewährungshelfer regt die Aufhebung der Unterstellung an, wenn die Betreuung und Kontrolle aus seiner Sicht nicht mehr erforderlich ist. Eine Prüfung erfolgt regelmäßig zum Ablauf der Mindestbewährungszeit.

II. 11. Gruppenarbeit

Die Bewährungshilfe kann Gruppenarbeit als zusätzliches Angebot im Bereich der Beratung und Betreuung von Probanden anbieten. Gruppenarbeit kann geleistet werden im Team und in Kooperation mit anderen Einrichtungen. Gruppenarbeit ist beispielhaft möglich durch:

  • themenbezogene Gesprächsgruppen (Sucht, Erziehungsfragen….)
  • straftatbezogene Trainingsprogramme (Anti-Gewalt-Trainings, Trainings für eine gewaltfreie Paarbeziehung, Trainings für Sexualstraftäter…)

II. 12. Netzwerkarbeit

Seitens der Bewährungshilfe werden vielfältige Kooperationsbeziehungen genutzt und gefestigt. Wo erforderlich wurden und werden diese initiiert (z.B. Projektarbeit, AGT, Wohnungsprogramme, Wohngruppen, Strafvollzug, Gerichtshilfe etc.).

Datenschutzrechtliche Bestimmungen sind zu beachten.

Hier nur beispielhaft genannt und zu vervollständigen sind Kooperationsbeziehungen zu:

  • Gerichten, Staatsanwaltschaften
  • Vollzugsanstalten und Strafvollstreckungskammern (fallbezogene Zusammenarbeit bei der Entlassungsvorbereitung)
  • Justizvollzugsanstalten (standardisierte Vollzugsplanung mit der Jugendanstalt gem. OrgBG)
  • Gerichtshilfe (entsprechend der §§ 10 BGG und 34, 35 OrgBG)
  • Rechtsanwälten
  • Agenturen für Arbeit
  • Leistungsträgern gem. SGB II
  • Sozialämtern
  • Jugendämtern
  • Gesundheitsämtern
  • Beratungsstellen
  • Einrichtungen der freien Straffälligenhilfe
  • Therapieeinrichtungen und Fachkliniken

Im Einverständnis mit dem Probanden wird bei Bedarf dessen soziales Umfeld in den Beratungsprozess einbezogen:

  • Familie, Lebenspartner
  • Arbeitgeber
  • Betreuer
  • Vereine
  • Banken, Gläubiger

Im Übrigen sind die Normen des Landesdatenschutzgesetzes, insbes. die des § 15 LDSG, zu beachten. Neben den vielfältigen Kooperationsbeziehungen zur Gestaltung der Einzelfallarbeit unterhalten Bewährungshelfer ein engmaschiges Netzwerk von Beziehungen zu Institutionen und Vereinigungen, die sozial- und kriminalpolitische Zielsetzungen verfolgen und mit gestalten. Hierzu sind u. a. zu rechnen:

  • Vertretung im Landesbeirat für Bewährungs- und Straffälligenhilfe
  • Vertretung im Rat für Kriminalitätsprävention
  • Vertretung in der Stiftung Straffälligenhilfe des Landes Schleswig-Holstein
  • Vertretung in den gemeinsamen Arbeitsgruppen Justizvollzug und Bewährungshilfe
  • Vertretung in und Verbindung zu Verbänden und Vereinen der freien Straffälligenhilfe
  • Institutionalisierte Richtergespräche
  • Kontakte zu Richtervereinigungen
  • Kooperationsverbindungen zur Fachhochschulen mit dem Fachbereich Sozialwesen (Praktikantenanleitung)
  • Kooperationsverbindungen mit der Fachhochschule und Universität zur Verbesserung der Fort- und Weiterbildung
  • Kontakt zu den demokratischen Parteien
  • Kooperation mit den Trägern der Gemeinwesenarbeit = Stadtteilarbeit und Diversionsgruppenarbeit
  • Kontakte zu den Medien Mitwirkung bei der Anleitung und Ausbildung ehrenamtlicher Bewährungshelfer/Mitarbeiter

III. Strukturqualität

Die Strukturqualität beinhaltet vor allem die formalen Arbeitsbedingungen der Bewährungshilfe, insbesondere die personelle und technische Ausstattung. Die Bewährungshilfe ist organisatorisch den Landgerichten zugeordnet. Die Bewährungshelferinnen und Bewährungshelfer unterliegen der Dienst- und Fachaufsicht der Präsidentin oder des Präsidenten des Landgerichts. Die Präsidentin oder der Präsident des Landgerichts beauftragt eine richterliche Referentin oder einen richterlichen Referenten mit der Wahrnehmung der Aufgabe der Fachaufsicht, insbesondere auch der Geschäftsprüfung, der Teilnahme an Dienstbesprechungen in dem für Justiz zuständigen Ministerium und der Erstellung von Beurteilungsbeiträgen. Die den Einzelfall der verurteilten Person betreffende Fachaufsicht obliegt der unterstellenden Richterin bzw. dem unterstellenden Richter; in Gnadensachen obliegt diese Fachaufsicht der Staatsanwaltschaft.

Daneben sehen die §§ 6 BGG und 15 OrgBG die Bestellungen von Sprecherinnen und Sprechern in der Bewährungshilfe vor. In jedem Landgerichtsbezirk nimmt eine Bewährungshelferin oder ein Bewährungshelfer die Funktion der Sprecherin oder 

des Sprechers wahr. Die Sprecherin oder der Sprecher ist ein Bindeglied zwischen der Präsidentin oder dem Präsidenten bzw. der richterlichen Referentin oder dem richterlichen Referenten des Landgerichts und den Bewährungshelferinnen und Bewährungshelfern sowie Ansprechpartnerin und Ansprechpartner gegenüber Dritten.

Die Qualität der Arbeit ist auch von einer guten personellen, technischen und räumlichen Ausstattung abhängig. Hierfür hat vorrangig die Justizverwaltung Sorge zu tragen.

III. 1. Personelle Ausstattung

Bewährungshelfer sind in der Regel Sozialarbeiterinnen oder Sozialarbeiter und Sozialpädagoginnen oder Sozialpädagogen mit staatlicher Anerkennung. Eine angemessene, an der Arbeitsbelastung orientierte personelle Ausstattung ist anzustreben, um die Einhaltung der Standards nicht zu gefährden. Hierzu gehört auch die Zuordnung unterstützender Servicekräfte.

III. 2. Fachliche Struktur

Mitarbeiter der Bewährungshilfe bilden sich regelmäßig fort. Über die Fortbildungs-AG organisieren Bewährungshelfer in Zusammenarbeit mit dem Justizministerium einen wesentlichen Teil ihrer Fortbildung.

III. 3. Technische Ausstattung

Eine zeitgemäße technische Ausstattung durch die Justizverwaltung ist anzustreben. An jedem Arbeitsplatz ist ein Internetzugang vorhanden.

III. 4. Räumliche Ausstattung

Jedem Bewährungshelfer ist ein ausreichend großer Büroraum zur Verfügung zu stellen, sodass vertrauliche Gespräche mit Probanden und Dritten durchgeführt werden können. Angemessene Räumlichkeiten für die Einrichtung einer Wartezone für Probanden, die Durchführung von Besprechungen und für die Ausbildung von Praktikanten sind vorhanden.

1 In dem Qualitätszirkel (IV 4), besetzt durch die Landgerichte, OLG und MJKE, soll eine zahlenmäßig bestimmbare angemessene durchschnittliche Fallobergrenze ermittelt werden, die sich an der Ausgestaltung der fachlichen Arbeit und der unterschiedlichen Intensität der Betreuung orientiert.

III. 5. Ausbildung Dritter

Die Bewährungshilfe leistet einen Beitrag zur Ausbildung von Studierenden der Fachrichtung Soziale Arbeit durch Anleitung in Praktika. Die Anleitung erfolgt in Abstimmung mit den Ausbildungseinrichtungen entsprechend der jeweiligen Ausbildungspläne.

Die Bewährungshilfe ermöglicht Hospitationen von Personen anderer Berufsgruppen (z. B. Polizisten, Juristen usw.).

IV. Qualitätssicherung

Qualitätssicherung beinhaltet die tatsächliche Umsetzung, Einhaltung, Überprüfung und Weiterentwicklung erarbeiteter Standards.

Sicherungsinstrumente auf kollegialer Ebene sind:

  • Fortbildung
  • Teamarbeit
  • Kollegiale Beratung/Fallbesprechung
  • Qualitätszirkel
  • Supervision
  • Dienstbesprechung

Sicherungsinstrumente auf der Ebene der Dienstherrn sind:

  • Eine systematische Personal- und Organisationsentwicklung
  • Dienstbesprechungen
  • Mitarbeitergespräche
  • Geschäftsprüfungen

Die kontinuierliche Teilnahme an den genannten Maßnahmen auf kollegialer Ebene ist für eine erfolgreiche Arbeit in der Bewährungshilfe notwendig.

IV. 1. Fortbildung

Neu eingestellte Bewährungshelfer sollen an den für sie angebotenen Einführungsseminaren, deren Inhalt die Standards der Bewährungshilfe im jeweiligen Bundesland sind, teilnehmen. In den einzelnen Landgerichtsbezirken stehen für die Einarbeitung neu eingestellter Kollegen erfahrene Bewährungshelfer als Mentoren zur Verfügung.

Die Bewährungshelfer aktualisieren ihr Fachwissen durch regelmäßige Fort- und Weiterbildung. Das Justizministerium bietet, unterstützt und finanziert den Besuch von fachbezogenen internen und externen Fort- und Weiterbildungsangeboten.

IV. 2. Zusammenarbeit

Alle Bewährungshelfer einer Dienststelle oder regionalen Zweigstelle arbeiten zusammen, um durch die Bündelung der unterschiedlichen Fachkompetenzen, Informationen und Erfahrungen die Qualität der Aufgabenwahrnehmung zu steigern und die Fortentwicklung der Bewährungshilfe zu fördern.

IV. 3. Fallbesprechung und kollegiale Beratung

Fallbesprechung und kollegiale Beratung stellen Formen möglicher Auseinandersetzung mit beruflichen Arbeitssituationen dar. Sie setzen die Prinzipien der gegenseitigen Offenheit, Vertraulichkeit, Akzeptanz und Freiwilligkeit voraus. Diese Arbeits- und Kooperationsformen fördern und schaffen Transparenz und Verbindlichkeit. Sie gewährleisten u. a. :

  • die Reflexion des beruflichen Handelns
  • die Entwicklung neuer Handlungsmöglichkeiten
  • die Orientierung durch Vergleich
  • den systematischen fachlichen Austausch
  • die Selbstkontrolle innerhalb der Gruppe
  • den Abbau von Konkurrenz
  • den Aufbau von Kollegialität und Kooperation
  • die Auseinandersetzung mit Themen des Berufsfeldes
  • die Darstellung der eigenen Arbeit in der Gruppe
  • die Entlastung und Unterstützung durch Kollegen.

Es finden regelmäßige Fallbesprechungen statt. Eine kurze Ergebnisdokumentation erfolgt in der Akte.

IV. 4. Qualitätszirkel

Der Qualitätszirkel setzt sich zusammen aus Bewährungshelfern der Landgerichtsbezirke des Landes Schleswig-Holstein. Er beschreibt und sichert die Standards der Bewährungshilfe und arbeitet an deren Weiterentwicklung mit. Zu den Aufgaben des Qualitätszirkels gehören:

  • Ideen und Konzepte sammeln, gewichten, auswählen und bearbeiten
  • Austausch und Weitergabe von Informationen auf kollegialer Ebene
  • Sicherung und Weiterentwicklung der Standards
  • Erarbeitung von Lösungsvorschlägen und Stellungnahmen

Für die Arbeit eines Qualitätszirkels gelten folgende Grundsätze:

  • freiwillige Teilnahme
  • Teilnehmer aus allen vier Landgerichtsbezirken
  • Transparenz und Rückkopplung der Arbeitsergebnisse mit der Kollegenschaft
  • Festlegung der Arbeitsaufgaben durch die Mitglieder des Qualitätszirkels.

IV. 5. Supervision

Externe Supervision ist ein ständiges in allen Landgerichtsbezirken zur Verfügung stehendes Arbeitsmittel zur Reflexion des eigenen professionellen Handelns. Es soll bei Bedarf von jedem Bewährungshelfer in Anspruch genommen werden.

IV. 6. Dienstbesprechungen

Zur wechselseitigen Information und Beratung, zur Koordinierung von Arbeitsabläufen sowie zur Klärung von Fachfragen werden auf der Ebene des jeweiligen Landgerichtsbezirks regelmäßig Dienstbesprechungen abgehalten, an denen alle Bewährungshelfer und bei Bedarf der richterliche Referent teilnehmen. Die Moderation erfolgt durch die Sprecher bzw. deren Vertreter. Die Ergebnisse der Dienstbesprechung sind zu protokollieren. Daneben finden regelmäßig Dienstbesprechungen in den Dienststellen und den regionalen Zweigstellen statt.

IV. 7. Geschäftsprüfung

Die Geschäftsführung der Bewährungshelfer wird spätestens alle zwei Jahre durch die Präsidentin oder den Präsidenten des Landgerichts oder durch die richterliche Referentin oder den richterlichen Referenten geprüft.

V. Schlussbemerkungen

Qualitätsstandards der Bewährungshilfe unterliegen einem ständigen Prozess, wobei die Einhaltung, Sicherung und Korrektur der Ziele erforderlich ist.

Sie bilden die Grundlage für die Fortsetzung der erfolgreichen Arbeit der Bewährungshilfe in Schleswig-Holstein.