Bewährungs- und Gerichtshilfegesetz (BGG)
Vom 31. Januar 1996
Gl.-Nr.: 312-11
Fundstelle: GVOBl. Schl.-H. 1996 S. 274

Änderungsdaten:

1. §§ 4, 6, 11 und 12 geändert (LVO zur Anpassung von Rechtsvorschriften an geänderte Zuständigkeiten der obersten Landesbehörden und geänderte Ressortbezeichnungen v. 24.10.1996, GVOBl. S. 652

2. §§ 4, 6, 11 und 12 geändert (LVO zur Anpassung von Rechtsvorschriften an geänderte Zuständigkeiten der obersten Landesbehörden und geänderte Ressortbezeichnungen v. 13.2.2001, GVOBl. S. 34)

§1 Anwendungsbereich

(1) Dieses Gesetz regelt auf der Grundlage der Strafprozessordnung, des Strafgesetzbuches, des Jugendgerichtsgesetzes und der Gnadenordnung (Allgemeinverfügung des Justizministers vom 3. Mai 1984) Ziele, Aufgaben und Rahmenbedingungen der Bewährungs- und Gerichtshilfe im strafrechtlichen Ermittlungs-, Zwischen-, Haupt- und Vollstreckungsverfahren sowie im Gnadenverfahren.

(2) Die Maßnahmen der Bewährungs- und Gerichtshilfe richten sich an Beschuldigte oder Betroffene. Betroffene im Sinne dieses Gesetzes sind Verurteilte, Gefangene, Untergebrachte sowie aus Haft oder aus nach strafrechtlichen Vorschriften erfolgter Unterbringung Entlassene.

§2 Ziele

(1) Die Maßnahmen der Bewährungs- und Gerichtshilfe sollen gemäß den Vorschriften der Strafprozessordnung, des Strafgesetzbuches und des Jugendgerichtsgesetzes die Betroffenen befähigen, ein Leben ohne Straftaten zu führen und den durch die Tat verursachten Schaden wieder gut zu machen, sowie dazu beitragen, Haft zu vermeiden oder zu verkürzen.

(2) Die Bewährungs- und Gerichtshilfe bringen für Beschuldigte oder Betroffene im Strafverfahren sowie im Gnadenverfahren die persönlichen und sozialen Umstände zur Geltung, die für die Entscheidung in diesen Verfahren von Bedeutung sind.

(3) Die Maßnahmen der Bewährungs- und Gerichtshilfe sollen Beschuldigte und Betroffene unterstützen, ihre Angelegenheiten selbst zu regeln und ihre Rechte und Pflichten wahrzunehmen, sowie ihre soziale Integration fördern.

§3 Aufgaben

(1) Die Bewährungshelferinnen und Bewährungshelfer nehmen nach den Vor- schriften der Strafprozessordnung, des Strafgesetzbuches, des Jugendgerichtsgesetzes und der Gnadenordnung (Allgemeinverfügung des Justizministers vom 3. Mai 1984) die Aufgaben der Bewährungshelferinnen und Bewährungshelfer wahr, und die Gerichtshelferinnen und Gerichtshelfer nehmen nach den Vorschriften der Strafprozessordnung die Aufgaben der Gerichtshilfe wahr.

(2) Zu den Aufgaben der Gerichtshilfe gehören auch

1. die Haftentscheidungshilfe, 2. der Täter-Opfer-Ausgleich, 3. die Vermittlung und Begleitung freier Arbeit zur Abwendung der Vollstreckung von Ersatzfreiheitsstrafen, 4. die Mitwirkung bei der Hilfe zur Entlassung und die Mitwirkung an der

Vorbereitung von Gnadenentscheidungen.

(3) Die Bewährungshelferinnen und Bewährungshelfer nehmen regelmäßig auch die Aufgaben der Gerichtshilfe für die durch Beschluss ihrer Aufsicht und Leitung unterstellten Probandinnen und Probanden wahr. Aus fachlichen Gründen können ihnen auch für weitere Beschuldigte oder Betroffene diese Aufgaben übertragen werden.

(4) Aus fachlichen Gründen kann auch Gerichtshelferinnen und Gerichtshelfern die Wahrnehmung der Aufgaben der Bewährungshelferinnen und Bewährungshelfer übertragen werden.

§4 Einrichtung von Dienststellen und regionalen Zweigstellen

(1) Bei den Landgerichten sind die Dienststellen der Bewährungshilfe eingerichtet. Bei den Staatsanwaltschaften bei den Landgerichten sind die Dienststellen der Gerichtshilfe eingerichtet.

(2) Das Ministerium für Justiz, Frauen, Jugend und Familie kann zur Förderung der Kooperation zwischen Bewährungshelferinnen und Bewährungshelfern und Gerichtshelferinnen und Gerichtshelfern gemeinsame Dienststellen der Bewährungs- und Gerichtshilfe einrichten.

(3) Regionale Zweigstellen der Dienststellen können durch das Ministerium für Justiz, Frauen, Jugend und Familie eingerichtet werden.

(4) Zur Erprobung der Aufgabenwahrnehmung nach § 3 Abs. 3 und 4 in einer Dienststelle, die der Generalstaatsanwältin oder dem Generalstaatsanwalt zugeordnet ist, errichtet das Ministerium für Justiz, Frauen, Jugend und Familie diese in einem Landgerichtsbezirk.

(5) Zur Erprobung der Aufgabenwahrnehmung nach § 3 Abs. 3 und 4 in dem Modellprojekt „Ambulante Beratungsstelle für straffällige Frauen in Lübeck“ errichtet das Ministerium für Justiz, Frauen, Jugend und Familie eine der Generalstaatsanwältin oder dem Generalstaatsanwalt zugeordnete regionale Zweigstelle in Lübeck.

(6) Das Ministerium für Justiz, Frauen, Jugend und Familie berichtet dem Landtag nach Ablauf von zwei Jahren über die Ergebnisse der Erprobung nach den Absätzen 4 und 5.

§5 Dienstvorgesetzte

(1) Dienstvorgesetzte oder Dienstvorgesetzter der Bewährungshelferinnen und Bewährungshelfer ist die Präsidentin oder der Präsident des Landgerichtes.

(2) Dienstvorgesetzte oder Dienstvorgesetzter der Gerichtshelferinnen und Gerichtshelfer ist die Leitende Oberstaatsanwältin oder der Leitende Oberstaatsanwalt.

(3) Dienstvorgesetzte oder Dienstvorgesetzter der Bewährungshelferinnen und Bewährungshelfer und der Gerichtshelferinnen und Gerichtshelfer in der Dienststelle nach § 4 Abs. 4 und der regionalen Zweigstelle nach § 4 Abs. 5 ist die Generalstaatsanwältin oder der Generalstaatsanwalt.

§6 Sprecherinnen und Sprecher

In den Dienststellen und den regionalen Zweigstellen nach § 4, mit Ausnahme der Dienststelle gemäß § 4 Abs. 4, kann zur Koordinierung der Aufgabenerledigung eine Sprecherin oder ein Sprecher durch das Ministerium für Justiz, Frauen, Jugend und Familie auf Vorschlag der hauptamtlichen Mitarbeiterin- nen und Mitarbeiter für die Dauer von jeweils zwei Jahren bestellt werden. Die Sprecherin oder der Sprecher hat insoweit das fachliche Weisungsrecht gegenüber den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Das Nähere zum Aufgabenbereich und zur Ausübung des Vorschlagsrechts nach Satz 1 regelt das Ministerium für Justiz, Frauen, Jugend und Familie.

§7 Hauptamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter

Hauptamtliche Bewährungshelferinnen und Bewährungshelfer und Gerichtshelferinnen und Gerichtshelfer sind Diplom-Sozialarbeiterinnen oder Diplom- Sozialarbeiter oder Diplom-Sozialpädagoginnen oder Diplom-Sozialpädagogen mit staatlicher Anerkennung.

§8 Ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter

An der Wahrnehmung der Aufgaben nach diesem Gesetz sollen, soweit Rechts- vorschriften und sonstige öffentliche Belange nicht entgegenstehen, ehren- amtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beteiligt werden. Sie sollen auf ihre Tätigkeit vorbereitet werden. Ihnen ist fachliche Beratung und Fortbildung anzubieten.

§9 Freie Straffälligenhilfe

Freie Träger der Jugend- und Erwachsenenstraffälligenhilfe sollen, soweit Rechtsvorschriften oder sonstige öffentliche Belange nicht entgegenstehen, an der Durchführung von Aufgaben nach diesem Gesetz beteiligt werden oder

ihnen soll die Durchführung von Aufgaben übertragen werden, wenn die freien Träger die fachlichen Voraussetzungen für die Aufgabenwahrnehmung erfüllen und mit der Beteiligung oder Übertragung der Durchführung einverstanden sind. Sie sollen dabei angemessen unterstützt und gefördert werden.

§ 10 Zusammenarbeit

(1) Die Bewährungs- und Gerichtshilfe arbeiten mit allen Behörden, Stellen, Verbänden, Vereinen und Personen, die zur Wahrnehmung der Aufgaben nach diesem Gesetz beitragen können, zusammen und wirken darauf hin, dass sich ihre Maßnahmen und Tätigkeiten wirksam ergänzen. Dabei sollen die Bewährungs- und Gerichtshilfe Maßnahmen nach diesem Gesetz insbesondere mit den öffentlichen und freien Trägern der Jugend- und Sozialhilfe, den Trägern der Jugend- und Erwachsenenstraffälligenhilfe und den Justizvollzugsanstalten, sowie den Arbeits-, Wohnungs- und Gesundheitsämtern im Rahmen einer Gesamtplanung örtlich und überörtlich abstimmen.

(2) Die Behörden des Landes sind im Rahmen ihrer allgemeinen Zuständigkeit verpflichtet, die Bewährungs- und Gerichtshilfe bei der Durchführung ihrer Aufgaben nach diesem Gesetz zu unterstützen.

§ 11 Landesbeirat

Zur Unterstützung und Förderung der Straffälligenhilfe ist ein Landesbeirat beim Ministerium für Justiz, Frauen, Jugend und Familie zu bilden.

§ 12 Verarbeitung personenbezogener Daten

(1) Personenbezogene Daten dürfen nur erhoben und weiterverarbeitet werden, soweit

1. dies zur Wahrnehmung von Aufgaben nach § 3 und zur Durchführung der sich daraus ergebenden Maßnahmen erforderlich ist oder

2. die betroffene Person eingewilligt hat.

(2) Werden freie Träger nach § 9, Personen nach § 8 oder andere Dritte an der Aufgabenwahrnehmung nach § 3 beteiligt, so ist sicherzustellen, dass der Schutz personenbezogener Daten in entsprechender Weise gewährleistet ist. Dies gilt auch für die Zusammenarbeit nach § 10.

(3) Das Ministerium für Justiz, Frauen, Jugend und Familie regelt durch Verordnung das Nähere über die Erhebung und Weiterverarbeitung personenbezogener Daten.

§ 13 Überleitungsbestimmungen

Auf Angestellte sind die §§ 35 bis 38 des Landesbeamtengesetzes entsprechend anzuwenden.

§ 14 Inkrafttreten, Außerkrafttreten

(1) Dieses Gesetz tritt am 1. Mai 1996 in Kraft.
(2) Gleichzeitig treten außer Kraft

1. das Gesetz über Bewährungshelfer vom 7. Januar 1956 (GVOBl. Schl.-H. S. 4), geändert durch Gesetz vom 24. März 1970 (GVOBl. Schl.-H. S. 66),

2. die Landesverordnung über die Einrichtung der Gerichtshilfe vom 12. Juli 1979 (GVOBl. Schl.-H. S. 422)